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Dienstag, 21. Juni 2011

Elb-Regatta 2011: Abilasha rockt die Wellen!

Dieses Wochenende stand ganz und gar unter dem Regatta-Stern. Wäre nur nicht dieser elendig gruselige Wetterbericht gewesen, wäre auch meine Vorfreude noch größer gewesen. Mit Wind aus Südwest können wir ja eigentlich sehr gut leben, bedeutet dies doch lange Trapezstrecken, so dass wir den nötigen Dampf auf meiner Ixylon machen können. Nur: 5-6 Beaufort in Böen bis 8 lautete die fast einhellige Wettervorhersage. Lediglich Windfinder war extrem optimistischer und lag wie schon häufig dieses Jahr ziemlich daneben.

Der ambitionierte (oder dumme?) Segler jedoch sagt sich: gesegelt wird ob mit oder ohne Wetterbericht! Wir übernachteten von Freitag auf Samstag auf unserer Yacht im Glückstädter Außenhafen, damit Manfred am nächsten Morgen um 7 Uhr nach Kollmar fahren und die Jolle überführen konnte. Ich durfte nämlich ausschlafen! Schneller als gedacht lag die "Rennjolle" regattaklar direkt vor Manfreds Seewauwi. So hatten wir genügend Zeit um beim Frühstück dem Wetterfunkdienst DP 07 zu lauschen - selten habe ich Herrn Dietzel so oft "Tiiiiiieeeef" sagen hören. Es blieb bei 5-6 in Böen 8 Beaufort mit Regenschauern und starken Sturmböen. 
Um 11 Uhr auf der Steuermannsbesprechung erklärt uns Hans, der bewährte Nedderelv-Regattaleiter, folgendes:

a.) gestartet wird - ob allerdings für die offenen Boote, werde kurzfristig entschieden
b.) Proteste werden nicht angenommen!
c.) es gilt die kürzeste Bahn - also von der Hafenmole Glückstadt bis zur PN 7 vor der
     Krückaumündung und zurück (ca. 12 sm)


Wir hörten die Fahnen im Wind knattern und trösteten uns mit einem 2. Kaffee. Ich renne ca. alle 10 Minuten zur Toilette, natürlich nicht vor Nervosität, sondern um möglichen Bedürfnissen während der Regattazeit vorzubeugen :-) Kurz vor 13 Uhr wurde klar: wir starten! Ich packte mich gut in meinen Trockenanzug ein und dachte sogar noch an meinen schicken"  Südwester ... das Kopfutensil erwies sich später als absolut richtige Wahl, um dem Elbwasser den Zugang zu meinen Ohren zu verwehren.

Schon die Böen im Hafen gaben uns einen Vorgeschmack auf diesen Samstag Nach-mittag: gute Nerven und eine Top-Kondition waren gefragt! Mit einem Kaugummi im Mund hatte ich mich für das Kommende gewappnet. Vor der Startlinie versuchen wir möglichst abseits von den anderen einige Wenden. Selbst Manfred schaute nervös und gestand mir später, dass er kurzzeitig an eine Aufgabe gedacht hatte: die Böen knallten regelrecht zwischen den hohen Bäumen der Rhinplatte in unser Segel - wenden zwecklos bzw. überflüssig. 

Und wie wir später erfuhren, kam es schon in der Vorstartphase zu einer Kollision: die Sagitta - ein Jollenkreuzer von Dethlefs-Gymnasium in Glückstadt - hatte einen manövrierunfähigen Piraten eines jungen Seglers hinten an Steuerbord bös getroffen. Den Steuermann der Sagitta schien  dieses nicht weiter zu stören und er segelte mit seiner Mannschaft unbeirrt die Regattabahn ab. Wie wir später erfuhren, hatte sich der Verursacher selbst nach Beendigung der Wettfahrt noch nicht mal ansatzweise bei dem Piratensegler erkundigt, entschuldigt oder klärende Worte gefunden. Ich finde dieses Benehmen nicht nur unsportlich, sondern fast schon symptomatisch für die zunehmende Ignoranz vieler Segler - so ergab sich nach  Augenzeugen-berichten einen weiteren Vorfall, den ich an dieser Stelle ebenfalls erwähnen möchte: Ein Pirat war gekentert und die Mannschaft bemühte sich trotz der steilen Welle und des Starkwindes um das Wiederaufrichten. Die Segelyacht "Chica", gesteuert von seinem Besitzer, segelte in unmittelbarer Nähe vorbei ohne Hilfeleistung oder zumindest der Nachfrage, ob alles in Ordnung sei. Der Eigner und zugleich Steuermann folgte lieber seinem persönlichen Ehrgeiz, den berüchtigten Balladen-Preis einheimsen zu wollen (zwei Albin Ballads nahmen überhaupt teil) als den Ansprüchen guter Seemannschaft zu entsprechen. Vielleicht war die Ansage des Wettfahrtleiters bei der Steuermannsbesprechung, dass Proteste nicht angenommen werden, für einige der Freifahrtsschein für egoistisches und absolut unseemännisches Verhalten?


Wie auch immer, von diesen Zwischenfällen erfuhren wir glücklicherweie erst Abends bei der Siegerehrung. 

Beim Startschuss zur Regatta zogen wir mit zwei anderen Piraten und dem Jollenkreuzer "Isis" zum Südende der Rhinplatte hoch und saßen die heftigen Böen im Ausreitgurt hängend aus. Sobald wir aus der Abdeckung der Rhinplatte rauskamen, konnte ich ins Trapez und schwups - liessen wir die Piraten hinter uns. Zwischen Bielenberg und Kollmar kam sogar die Sonne raus und der Wind wurde gleichmäßiger. Nach und nach konnten abfallen und ich mich leicht entspannt, aber noch hoch konzentriert ins Boot setzen und die Fockschot bedienen. Manfred hatte uns dann auch noch eine superschnelle Gleitfahrt auf der Heckwelle der Isis verschafft. An der Wendetonne waren wir nur noch 20 m hinter diesem schönen Jollenkreuzer. Spannend, spannend, kann ich euch nur sagen. Wer schafft es am besten, bei diesem Wind die Tonne zu runden? Wir! Trotz der vorher angesagten Q-Wende gab mein Steuermann - wie so oft und gern praktiziert - doch schnell eine Halse an und zack waren wir rum und konnten die Schoten wieder dichtholen. Die "Isis" hat ihre Halse zu spät eingeleitet und wurde deshalb vom Flutstrom noch ein ganzes Stückchen weit weggetrieben, bevor sie wieder zu uns aufschließen und uns überholen konnten.

Stehend im Trapez sah ich schon von weitem das restliche Regattafeld auf uns zusegeln - wir lagen demnach ganz schön weit vorn - als 2. Schiff sozusagen. So langsam keimte Freude in mir auf, nicht nur, dass wir bisher sämtliche Manöver ohne Kenterung überstanden hatten und bisland auch Abilasha heil geblieben war, sondern auch auf eine gute Platzierung. Aber es sollte noch eine letzte harte Prüfung auf uns zukommen. Wieder in Höhe des Bielenberger Waldes wartete Manfred auf ein Böe, bei der die nun vor uns segelnde Isis erneut anluven würde. Und die Böe kam, die Isis luvte an, wir fielen etwas ab und ab ging die Post über das Flach. Die Wellen klatschen uns von allen Seiten gegen den Rumpf, unter die Sonnenbrille und ins Schiff. Nur womit wir nicht gerechnet hatten: Die Böe hörte gar nicht mehr auf! Wir wurden immer schneller und schneller... Manfred zeigte seine Steuerkünste, in dem er die Jolle beständig in Gleitfahrt hielt. Der Rumpf - so kam es mir vor - schaute zeitweise bis zu 3/4 aus dem Wasser, wir eierten nur noch mit dem Heck im Wasser rum - und ich stand die ganze Zeit im Trapez! Mann, mann mann, so schnell waren wir noch nie! Ich kam 2-3 Mal ernsthaft in Gefahr, wegzutrudeln. Uns beiden war jedoch klar, dass wir in diesem Fall uns und unsere geliebte Jolle nur noch in Einzelteilen vom Bielenberger Sandstrand hätten abbergen können. Also: Konzentration und weiterrasen. Manfred schnackte mich wie immer durch diese brisante Situation - mittlerweile ließ meine Muskelkraft in den Oberschenkeln denn doch erheblich nach.

Sobald wir wieder in Leeschutz der Rhinplatte waren, konnte ich mich endlich reinsetzen. Das Wasser wurde glatt und der Wind mäßigte sich. Ich hätte auch nicht einmal mehr im Trapez stehen können. Am Ziel angelangt, wurden wir klatschend begrüßt und ich muss zugeben, dass mich doch der Stolz über die vollbrachte Leistung ein wenig übermannte. Klar war aber auch, dass ich heute keinen Meter mehr segeln wollte.

Zum Glück fanden sich genügend PKW mit Anhängerkupplung, die unsere Trailer aus Kollmar holten, so dass wir mit dem LKW-Kran von Jan-Markus alle unsere Jollen schnell und sicher an Land brachten. Hier wurden weitere Schäden offensichtlich: ein Pirat war zusätzlich noch in der Hafeneinfahrt gekentert. Zum Aufrichten mußte wohl der Mast "gelegt" werden und hinterliess auch an diesem Schiff hässliche Holzspuren. Meine Abilasha hatte alles heil überstanden und ich bin noch mal wieder von diesem Typ Jolle überzeugt:
- sie unterschneidet keine Welle - nie!
- sie lässt der Crew immer 2-3 Sekunden Reaktionszeit, bevor sie tatsächlich kentern möchte
- sie ist schneller als ein Pirat
- stabil gebaut und vielseitig nutzbar
- Platz genug, um unter dem Baum die Seiten zu wechseln
- gut trailerbar und reparierbar

Okay. Ich könnte diese Liste noch ziemlich lang fortführen: ich liebe sie halt:-))

Abends wurden wir mit einem 1. Platz in unserer Jollengruppe (ein weiterer Zugvogel sogar mit Genua kämpfte sich erfolgreich durch die stürmische Elbe) und den Wanderpreis für die schnellste Jolle nach Yardstick (oder so) belohnt. Ehrlich gesagt, finde ich die Preisfindung bei der Nedderelvregatta etwas verwirrend, es werden die komischten Platzierungen mit einem Pokal oder Wanderpreis geehrt. Nicht nur gesegelte und berechnete Zeiten für alle möglichen Boots- und Yardstickklassen, die schönste Steuerfrau, die größste Familie, nein auch mittlere Platzierungen werden ausgezeichnet. Sei's drum, ich habe mir abgewöhnt, über die Preis-verteilung bei diesen Elbregatten nachzudenken.

Dem Einsatz der vielen Regattaorganisatoren möchte ich meinen Dank aussprechen. Es gehört viel Zeit und Mühe dazu, so etwas jedes Jahr auf die Beine zu stellen bzw. zum segeln auf die Elbe zu bringen. Für viele unserer jungen Jollensegler ist meines Erachtens die Begleitung durch zuverlässige Motorboote jedoch unabdingbar. Diese sollten sich während der gesamten Regatta nahe bei den Jollen aufhalten und auch mit in Trockenanzug befindlichen, fähigen Personen bemannt sein, damit die den gekenterten Jollenseglern noch schneller geholfen werden kann. Für die Presse waren auf jeden Fall spektakuläre Bilder und Storys dabei:

http://www.shz.de/nachrichten/lokales/norddeutsche-rundschau/artikeldetails/browse/2/article/797/nedderelv-regatta-kaempft-mit-wind-und-seegang.html

Nicht groß erwähnen brauche ich eigentlich den Sonntag, an dem ich nur noch meinen heftigen Muskelkater auf der Couch auskurieren wollte. Bei dem scheußlichen Wetter gab es zum Glück auch keine Gegenargumente.

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